Doppelspitze
Gemeinsam besser! Gemeinsam besser?
Wenn wir in einem Team arbeiten, dann teilen wir uns die Arbeit auf und jeder ist verantwortlich für seinen Teilbereich. Eine Doppelspitze ist gemeinsam verantwortlich und teilt sich die Arbeitsschwerpunkte untereinander auf, um mehr bewältigen zu können. Theoretisch (die Idee der Doppelspitze ist häufig auf dem Papier wesentlich charmanter als in der Praxis) können durch die Aufteilung der Arbeitsschwerpunkte - bei gemeinsamer Verantwortung - komplexere Organisationen geführt und schnelleres Wachstum generiert werden. Doppelspitzen sind Partner - gleichberechtigte Partner. Wie gelingt eine Partnerschaft auf professioneller Ebene? Es gibt zwei verschiedene Settings: ich suche oder ich werde gematcht.
1. Ich suche mir aktiv einen Partner/eine Partnerin.
Wähle ich selber, dann muss ich mir im Vorfeld schon sehr viele Gedanken machen (sollte ich mir) über das warum und wie. Wozu bilde ich eine Partnerschaft? Ergänzung? Verteilung der Last? Was bringe ich ein? Was soll mein Partner/meine Partnerin einbringen? Was sind meine Bedürfnisse? Will ich entlastet oder gefordert werden? Was ist das Ziel der Partnerschaft? Kann ich wirklich teilen? Will ich wirklich teilen? Manchmal sucht man sich nach der Beantwortung dieser Fragen lieber einen Stellvertreter/eine Stellvertreterin als einen Partner/eine Partnerin. Der größte Stolperstein (aus meiner Erfahrung) ist, dass ich Sehnsucht nach einem Partner/einer Partnerin habe, der/die alle meine Soll-Bruchstellen kittet. Ich suche nach jemandem, der alles Kantige glättet. Aber das funktioniert nie - das kann jemand anderes nicht leisten. Schon gar nicht als gleichberechtigter Partner/Partnerin.
2. Ich werde mit einem Partner/einer Partnerin in eine Doppelspitze berufen.
Ich will hier nicht alle prominenten Beispiele aufführen, wo das gewaltig daneben gegangen ist und die Doppelspitze nur eine Art öffentliches Tauziehen um den Job geworden ist - bzw. von Anfang an als Wettkampf organisiert war. Das mag für Einzelne in ihrem Machtgebaren sinnvoll sein, aber das dient nie (!!!!!!!) der Organisation. Offen ausgetragene Konkurrenz, die als gleichberechtigte Führungsspitze deklariert ist, macht auch dem letzten Mitarbeiter noch klar, dass es keine Glaubwürdigkeit in dieser Organisation gibt. Offen gegeneinander im Wettkampf antreten wäre ehrlicher, hat für die Organisation aber auch keine positiven Folgen, weil sich die Mitarbeiter damit entscheiden müssen zu welchem Lager sie gehören (eine Seite, andere Seite, neutral). Dieses Vorgehen erhöht den Stress maximal, weil die eigenen Leistungen damit offensichtlich auch einen politischen Aspekt bekommen. Das Risiko zur falschen Seite zu gehören und der eigenen Karriere massiv zu schaden, schwebt fortan über den Mitarbeitern. Deswegen sollten Doppelspitzen wirklich gleichberechtigt sein, d.h. scheitert einer, dann scheitert das Duo! Nicht einer verlässt die Organisation sondern beide.
Idealerweise gibt es ein Konzept hinter der Entscheidung, eine Doppelspitze zu etablieren. Es gibt gute Gründe, warum diese Doppelspitze für diese Organisation sinnvoll ist. Auch als Nachfolgeregelung kann eine Doppelspitze sehr gut geeignet sein. Das Konzept wird der Doppelspitze vorab mit einem Fahrplan präsentiert. Ein Fahrplan, der die Entwicklung (learning journey) der gemeinsamen Arbeit beschreibt. Es ist unmöglich von „Überholspur“ auf „Schulterschluss“ zu wechseln ohne die Aktivierung neuer Kompetenzen. Die Arbeit in der Doppelspitze ist in der Regel eine völlig neue Erfahrung und Phase! Erfolgreiche Karrieren sind gekennzeichnet von der Überholspur. Sie haben sich behauptet und gegen andere durchgesetzt. Der Fahrplan hilft den Akteuren ihren Platz zu finden und die Besonderheiten der Doppelspitze zu erfahren. Ein Moderator, der die übergeordneten Interessen der Organisation vertritt, kann helfen. Denn die übergeordneten Interessen sind die „Bande“ über die gespielt wird. Der Erfolg der Organisation ist der Erfolg der Doppelspitze.
Es gibt einige fundamentale Pfeiler auf denen die Doppelspitze sich individuell aufbauen kann:
1. Immer, wirklich immer tritt die Doppelspitze nach außen geschlossen auf. Niemals stellt eine/einer die Doppelspitze in Frage! Geschlossenheit vermittelt Sicherheit in die Organisation hinein. Sobald die Geschlossenheit Risse zeigt, ergibt sich das oben beschriebene Phänomen: die Mitarbeiter meinen, dass sie sich einem Lager zuordnen müssen, werden unsicher und gestresst (was Unsicherheit und Stress für die Arbeitsqualität bedeutet, ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben). Niemals. Wirklich niemals. Das heißt nicht, dass die Doppelspitze nicht unterschiedlicher Meinung sein kann, aber der gefundene Konsens oder Kompromiss ist eine gemeinsame Entscheidung. Diese wird nicht hinterrücks in Frage gestellt. In einer idealen Welt lebt die Doppelspitze vor, wie Konsens oder Kompromisse in einer reifen Diskussion gefunden werden, an deren Ende eine gemeinsame Haltung steht.
2. Eigentlich ganz simpel: reife, ehrgeizige Persönlichkeiten, die in der Lage sind sich selber hinter ein höheres Ziel einzuordnen. Ehrgeiz und hinten an stellen? Ist das kein Widerspruch? Nein! Leistungsstärke - mit einem ehrgeizigen Anspruch an sich selber und das Ergebnis - ist die ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Doppelspitze. Ich will den maximalen Erfolg und dafür arbeite ich gemeinsam in der Doppelspitze: weiß, was ich leisten kann und weiß auch, was nicht (und wenn nur aus Zeitgründen nicht); ich respektiere die Leistung anderer, ich muss den anderen nicht kleiner machen, um mich zu erhöhen. Ich bin maximal selbstsicher. An dieser Stelle: Anerkennung der Leistung anderer ist eine zwingende Voraussetzung für diese Arbeit. Blender und Schaumschläger werden immer unfähig sein, in einer Doppelspitze zu arbeiten. Sie werden immer Angst haben, dass der gleichberechtigte Partner ihnen auf die Schliche kommt und aufdeckt, dass sie bei weitem nicht so gut sind wie sie alle haben glauben machen. Gleichzeitig kann die sichere Persönlichkeit in der Doppelspitze noch mehr wachsen und das Fundament erweitern.
3. Vertrauen ist eine weitere Grundvoraussetzung, die ich explizit erwähnen möchte, auch wenn sichere Persönlichkeiten sich dadurch auszeichnen, dass sie „gesund“ vertrauen. Aber ein Vertrauen in den anderen ist wirklich wichtig. Misstrauen frisst Energie und mindert damit wieder einmal die Arbeitsqualität. Vertrauen heißt nicht, dass ich naiv bin und auch nicht, dass ich nicht aufmerksam bin. Aber man verschwendet bis zum Beweis des Gegenteils keine Energie für Misstrauen auf! Die gute Nachricht ist, dass das Vertrauen über die Zeit wächst. Es ist ein Kapital der Doppelspitze, das sich im Laufe der Zeit aufbaut. Vertrauen in den anderen kann mit einem Vorschuss beginnen, aber dann muss es erarbeitet werden. Hier gibt es keine Abkürzung (auch nicht durch lustige Teambuilding Maßnahmen im Wald).
4. Diskussionsfreude, Diskursfähigkeit, Konfliktfähigkeit sind ebenfalls essentiell. Ich muss Freude daran haben, dass wir in der Doppelspitze unterschiedlicher Meinung sind. Die Überzeugung, dass Auseinandersetzung zu einem besseren Ergebnis führt, sollte im Denken fest verankert sein. Hier geht es nicht darum, ständig und immer zu diskutieren! Oben ist schon beschrieben, dass die reife Persönlichkeit Leistung anderer anerkennen kann. Sondern es geht darum, Vertrauen in die Arbeit und die Entscheidungen zu haben, aber bei abweichender Meinung ergebnisorientiert zu diskutieren.
Die Arbeit in der Doppelspitze hat keine Blaupause. Ich habe hier die Eckpfeiler beschrieben, aber der Rest ist Vereinbarung und abhängig von den individuellen Rahmenbedingungen. Die Konzeption der Vereinbarungen und die Auswahl der Partner entscheidet über den Erfolg. Es ist nicht immer die erfolgreiche Karriere, die mich für eine erfolgreiche Doppelspitze empfiehlt. Nicht jeder kann und will das. Ehrliche Selbstreflexion und Planung verhindert das Scheitern und bewahrt die Organisation vor den negativen Auswirkungen.