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Objektiv ist subjektiv

„Krass wie viele rote Autos unterwegs sind heute. Da gab es wohl ein Sonderangebot irgendwo!“ 

 

Das habe ich letzte Woche gedacht als ich ins Büro gefahren bin. Aber dann ist mir eingefallen, dass ich vorher mit einer Nachbarin geplaudert habe, die gerade in ihr neues rotes Auto gestiegen ist und mir die Vorzüge der Farbe („gesehen werden“) erläutert hat. 

 

Erwischt! 

 

Die Welt hatte sich nicht verändert – nur meine Wahrnehmung. 

 

Bei meinem Beispiel ist es einfach, sich selbst auf die Schliche zu kommen, bei vielen Prägungen und falsch sortierten Erfahrungen ist das wesentlich schwerer. Nur mit einem Denken über das eigene Denken kann ich kognitiven Verzerrungen auf die Spur kommen, Denkfehler vermeiden.

 

(Selbst-)Reflektieren bedeutet unter anderem, dass nichts so angenommen wird, wie es im ersten Moment erscheint.  Es wird bewusst wahrgenommen, dass alles durch einen Wahrnehmungsfilter geht. 

 

Der Wahrnehmungsfilter wird im Laufe eines Lebens durch Erfahrung, Beruf, Prägung oder Rückschlüsse individualisiert und ist alles andere als „objektiv“.  Menschen mit ähnlichen Filtern (z. B. dem gleichen Beruf, ähnlichem sozialen Hintergrund etc.) verstehen sich schneller, weil sie ähnlich auf die Welt gucken. Deswegen ist das Leben in der bubble so angenehm; geteilte Subjektivität erscheint so herrlich objektiv. 

 

Reflexion hält den Wahrnehmungsfilter „durchlässig und sauber“ und erweitert ihn permanent. 

 

Offen sein für neue Impulse, andere Denkweisen. Mit jeder neuen Erkenntnis wird der Filter erweitert. Mit einem Sparring-Partner zu reflektieren, vereinfacht und verkürzt den Prozess: der Partner bringt einen anderen Wahrnehmungsfilter mit und hinterfragt die Denkweisen. Erfahrungsgemäß ist der schnellste Weg ein Partner, der außerhalb des eigenen Systems steht. 

 

Ohne reflektierten und bewussten Filter ist effiziente Kopfarbeit nicht möglich. 

 

Je weiter und durchlässiger der Filter ist, desto bunter ist die Welt und desto mehr Lösungsmöglichkeiten existieren.